Bewusst fotografieren

Kürzlich beobachtete ich mich während eines Shootings, wie ich auf meinen Auslöser hackte und ein und dasselbe Foto in Serie schoss. „Irgend eins wird schon dabei sein, das passt“, spukte es durch mein Hirn. Gleich gefolgt von dem Gedanken … „den Rest erledige ich später mit Photoshop“. Kaum zu Ende gedacht, fiel mir die Nacharbeit ein, die mich Stunden kosten würde. Alle Fotos sichten, auswählen, nachbearbeiten, ordnen und speichern. Ich würde mindestens einen halben Tag vor dem PC sitzen müssen. Wertvolle Lebenszeit, die ich wesentlich sinnvoller verbringen könnte.
Ich erinnerte mich an meine Anfänge als Fotografin. Digitale Fotografie gab es noch nicht und wenn ich eine Auftragsarbeit machte, dann brauchte es manchmal fünf Minuten, bevor ich auf den Auslöser drückte. Die Filme waren teuer und die Entwicklung im Profilabor dauerte drei bis vier Tage und kostete mich ebenfalls eine Stange Geld. Den Auftrag versauen, kam also gar nicht infrage. Somit gewöhnte ich mir an, jedes Detail zu beachten. Stimmt das Licht? Passt die Pose des Models? Ist der Hintergrund so, wie ich ihn möchte? Stimmt der Weißabgleich, die Farben, der Kontrast? Diese Aufmerksamkeit hat mein Auge geschult, sie hat mich mit dem Akt des Fotografierens verschmelzen lassen, jede Regung meines Models habe ich wahrgenommen. Als mir bewusst wurde, wie inflationär ich meinen Auslöser betätige und wie unaufmerksam ich während des Shootings war, wurde eine Idee geboren. Ich liebe es, mir selber Challenges zu setzen.
Also beschloss ich während der nächsten Shootings so zu tun, als würde ich wieder analog fotografieren. Ich ließ mir Zeit, viel Zeit. Ich spürte meine eigene Ungeduld, aber ich bezwang meinen Drang, schneller zu machen, wartete genau auf den richtigen Moment, in dem alles stimmte, erst dann betätigte ich den Auslöser. Das Ergebnis waren 50 richtig gute Fotos. Auf keinem Bild waren die Augen des Models geschlossen, jede Pose saß, das Licht stimmte und die Postproduktion brauchte gerade mal eine Stunde. Das Shooting hat zwar länger gedauert als üblich, dafür habe ich unglaublich viel Zeit bei der Nacharbeit gespart. Ich schätze, dadurch habe ich mir etwa drei Stunden wertvolle Zeit geschenkt.
Und die Moral von der Geschicht? Bewusstheit ist eine Form der Aufmerksamkeit, sie lässt Dich erkennen, Dinge bemerken, die sonst an Dir vorbeigerauscht wären, sie schenkt Dir wertvolle Lebenszeit und lässt Deinen Stresspegel sinken. Mit allen Sinnen bei einer Aufgabe zu sein, ist wie ein meditativer Akt, der Dich möglicherweise sogar tiefer blicken lässt, Dir die Essenz zeigt und Dir die wahren, großartigen Fotos schenkt.

Probiert es aus und erzählt mir von Euren Erfahrungen. Eure Peggy

(Veröffentlichung nur mit Quellennachweis! Sprecht mich gern an.)

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